
Warum man so oft von Stereotypen bei deutschen Shoppingcentern spricht, ist eigentlich nicht nachvollziehbar, und in gewisser Weise auch ungerechtfertigt. In keinem anderen Retail-Markt gibt es eine solch kompetitive Situation und Angebotsvielfalt wie in Deutschland.
Dass man viele Konzepte in den Shoppingcentern und den Top-Einkaufslagen „regelmäßig“ wiederfindet, hat schlichtweg damit zu tun, dass man das beste Angebot der jeweiligen Branche haben möchte. Das garantiert neben einer hohen Kundenzufriedenheit (denn der Kunde macht einen Anbieter erst erfolgreich) auch eine hohe Umsatzproduktivität, und daraus folgend einen guten, nachhaltigen Mietertrag.
Seit Jahrzehnten etablieren sich immer wieder Konzepte aus dem internationalen Umfeld, die in ihren Heimatmärkten erfolgreich waren und dann im größten Einzelhandelsmarkt Europas - Deutschland - ihre Chancen ergreifen wollen.
Deutschland hat sich in den letzten Jahren - infolge der Öffnung der osteuropäischen Märkte - zu einer wahren Plattform für eine paneuropäische Expansion entwickelt. Manch ein Anbieter mag dabei nicht immer den richtigen Zeitpunkt für einen Einstieg gefunden haben (und versuchte es wenige Jahre später zum zweiten Mal bzw. brauchte schlichtweg sehr lange zur Marktdurchdringung), oder hat die Kunden nicht für sich gewinnen können, und scheiterte deshalb - die Beispiele der US-Größen Wal-Mart und GAP verdeutlichen dies.
Warum eigentlich wieder Deutschland?
Der deutsche Markt hat sich nach Jahren der Stagnation und rückläufiger Umsätze wieder etwas beruhigt und „zurechtgerüttelt“ (die hohe Anzahl der Insolvenzen - auch von großen Einzelhandelsketten wie z. B. Hettlage, Boecker, Porst, Spinnrad u. a. - der letzten Jahre verdeutlicht dies).
Die Transparenz über die Standortvielfalt ist besser geworden. Welche Regionen, Städte oder Lagen (Fußgängerzone, Fachmärkte, Shoppingcenter u. a.) zu besetzen sind, war zu analysieren und zu definieren. Heute ist eine gute Expansionsstrategie operativ und logistisch einfacher umsetzbar.
In vielen Ländern haben sich nationale Marktführer entwickelt, die nunmehr im Rahmen ihrer weiteren Expansion auch Deutschland entdecken. Nordrhein- Westfalen war beispielsweise schon immer ein Versuchsfeld neuer Konzepte aus Benelux, nicht nur aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte.
Neu auf dem Markt erschienen sind hier hochspezialisierte, vertikale „private Labels“ wie z. B. Didi, Cool Cat oder auch Riverwoods. The Sting wird einen zweiten Anlauf nehmen, jetzt allerdings mit einem neuen, eigenen Profil und neuer Aussage. Hunkemöller (Wäsche) oder WE Fashion (junge Mode) haben sich mit jahrelanger Geduld und Durchstehvermögen mittlerweile zu einer Größe entwickelt, und manch einer denkt Orsay oder Pimkie sind deutsche Konzepte, obwohl die Wurzeln für den deutschen Erfolg vor über 30 Jahren in Frankreich gelegt wurden.
Leider ist nicht immer alles erfolgreich. Lindex hat seine 23 Läden geschlossen und sich vom deutschen Markt zurückgezogen - und dies nach dem bereits zweiten Anlauf - schade eigentlich. Der größten US-amerikanischen Textilkette GAP gelang mit ihren (allerdings nicht auf den deutschen Kunden adaptierten) Sortimenten nicht der Durchbruch, und sie hat ihre Läden an den Wettbewerber H&M verkauft, der heute vom deutschen Markt nicht mehr wegzudenken ist (einige können sich vielleicht aber an die Startschwierigkeiten vor ca. 20 Jahren erinnern).
Im Sportsektor dominieren die Verbände mit ihren unzähligen, qualifizierten Mitgliedern, die in der Lage sind, hochindividuell auf die Bedürfnisse der Kunden zu reagieren. So ist es den - in ihren Heimatmärkten äußerst erfolgreichen - Ketten wie Sports Experts (Österreich) und Decathlon (Frankreich) nicht gelungen, sich durchzusetzen. Stärker bedarfsorientierte Systeme wie Runner’s Point oder Marken wie Jack Wolfskin, Puma oder Nike werden hier ihren Weg erfolgreich gehen.
Macht man eine Reise durch Europa kann man feststellen, dass aus mittlerweile fast allen Ländern Konzepte nach Deutschland kamen und kommen. Den besten Überblick bekommt man auf der Immobilienmesse MAPIC, die jedes Jahr im November in Cannes stattfindet. Weit über 1.000 Retailer treffen sich dort und man diskutiert über eine Ausweitung der gemeinsamen Expansion. Die Messe entwickelte sich zu einer Pflichtveranstaltung für alle expandierenden Unternehmen.
Die Schwerpunkte der letzten JahreSpanien
Die „Herrscher“ des spanischen Einzelhandelsmarktes, Inditex (Zara, Massimo Dutti u.v.m.), Mango und Springfield, haben sich innerhalb weniger Jahre auch in Deutschland zu bekannten Größen entwickelt.
Skandinavien
H&M machte es vor, andere zogen nach. Die Entwicklung der Bestseller- Gruppe mit den Konzepten Vero Moda, Jack&Jones, Only oder Exit lassen eine gleiche Erfolgsstory vermuten. Auch dem Schuhkonzept Bianco kann man Potenzial unterstellen, und die designorientierten Skandinavier werden auch im Accessoires- und Schmucksektor noch von sich hören lassen.
Italien
Aus dem Land der Mode wird man auch in Zukunft noch hören. Auch wenn die etablierten Marken wie Benetton, Stefanel und Sasch an sich weiter arbeiten müssen, so sind Geox (der Schuh, der atmet), Sixty, Diesel oder Gas (Jeans) aktuell sehr erfolgreich unterwegs.
USA
Aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten lassen sich immer neue Anregungen gewinnen. Ob technische, emotionale oder textile Themen - sie können spannend, aber auch erfolgreich sein. Mit mittlerweile fast 5.000 Läden weltweit und inzwischen ca. 100 in Deutschland hat sich Gamestop (vormals EB Games, ein Anbieter für Software und Spiele für Computer und Spielekonsolen) innerhalb von nur fünf Jahren etabliert, und dies in einem Markt, der bislang von E-Commerce und Großflächen dominiert wurde.
Apple erlebt geradezu eine Renaissance, insbesondere durch den iPod. Vielleicht sehen wir auch in Deutschland so spektakuläre Standorte wie den Apple-Cube in New Yorks 5th Avenue. Bis dahin dürfen wir uns aber an Gravis (Deutschlands größter Apple- Händler - und dazu sehr erfolgreich) erfreuen. Die Ergebnisse der ersten Shops in Shoppingcentern sind sehr verheißungsvoll.
Build-a-bear gilt in USA als eines der „hottest Concepts“. Vor den Augen der Konsumenten werden - sehr persönlich und emotional - Teddybären „geboren“, die dann von den Kunden (zumeist zwischen 7 und 15 Jahre alt) wie Kinder behandelt werden. Man muss das einmal selbst erlebt haben, insbesondere wenn die Kinder wieder in den Laden kommen, um ihre Teddys neu auszustatten. Der Markteintritt in Deutschland erfolgte über den Masterfranchisenehmer des skandinavischen Marktes - eine kaum zu schlagende Kombination.
Die Jeans (eigentlich ...... amerikanische Kleidungsstück) ist sehr international geworden. Neben den sehr starken Anbietern aus Holland (G-Star) oder Italien (Diesel) ist aus den USA kommend (jedoch mittlerweile sehr gut auf europäische Verhältnisse umgesetzt) Levi’s wieder erstarkt. Spannend wird, wann die ersten Shops des kalifornischen Top- Labels 7 For All Mankind entstehen.
Fossil ist uns bekannt als Accessoires- Anbieter, insbesondere Uhren. Auf ca. 100-150 m² hat man ein „lifestyliges“ Thema um die Marke mit Lederwaren, Schmuck, Jeans etc. entwickelt, und ist klasse gestartet.
Im Frühjahr 2007 wurde in London der erste Abercrombie&Fitch-Store eröffnet. Das ist in den USA die Kultmarke schlechthin und auch in Deutschland schon sehr bekannt. Eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann der erste Laden in Deutschland eröffnen wird (und das wird sicherlich ein Riesenerfolg).
Ost- und Zentraleuropa
Erwarten darf man in Zukunft auch einiges aus Ost- und Zentraleuropa. Dort haben sich - aufgrund der unglaublichen Größe der Märkte - starke Player entwickelt, die uns über kurz oder lang erreichen werden. Konzepte aus Polen oder Tschechien wagen erste Schritte. Besonders gespannt sein darf man auf die Konzepte aus der Türkei. Durch den Hintergrund einer mittlerweile sehr hochwertigen Textilproduktion haben sich tolle Systemkonzepte entwickelt. Koton für Young Fashion, oder auch Sarar für wertige Herrenkonfektion haben ihren Start für Deutschland beschlossen. Aus Russland wird Sela demnächst zu sehen sein.
Schade, dass man nicht alle Länder und Konzepte aufzählen und beschreiben kann, es würde den Bericht sprengen - aber es gibt natürlich noch viel mehr.
Letztendlich ist der deutsche Einzelhandels- und Immobilienmarkt eine große Herausforderung für alle neuen Konzepte, natürlich auch für die aus Deutschland. Es ist zwar nicht immer alles Gold, was glänzt, aber „wer nicht wagt, der auch nicht gewinnt“. Wer hierzulande besteht, kann auch auf allen anderen Einzelhandelsmärkten der Welt bestehen. Die deutschen Einzelhandels- Exportschlager (Media-Saturn, Douglas, Bijou Brigitte, New Yorker, P&C und viele mehr) verdeutlichen dies.
Endlich erkennt man, dass Europa zusammenwächst. Grenzen sind nicht nur politisch, sondern auch in den Köpfen und konzeptionell gefallen. Es macht riesigen Spaß, mit diesen neuen Anbietern zu arbeiten und den Kunden immer Neues und Überraschendes bieten zu können - und das macht dann auch unsere Shoppingcenter in Zukunft weiterhin erfolgreich.
Klaus Striebich - ECE Projektmanagement - Geschäftsführer Vermietung